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Ideen für marodes Traditionskino in Potsdam

Ihre Vorschläge zu Sanierungs- und Nutzungsmöglichkeiten für das marode Kino „Charlott“ an der Zeppelinstraße haben die Architektinnen Navina Lammek und Frances Frühauf am Dienstagabend erstmals in Potsdam vorgestellt. Das Interesse an der Präsentation war groß. Rund 100 Zuhörer waren der Einladung des Vereins Brandenburger Vorstadt gefolgt

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Geht es nach Frances Frühauf und Navina Lammek, strahlt die Zukunft des hinfälligen Kinos „Charlott“ in den muntersten Farben. Dann ersteht das Ensemble an der Zeppelinstraße gegenüber dem Bahnhof Charlottenhof neu als Ort der Begegnung, der Bildung und des vergnüglichen Zeitvertreibs. Die Absolventinnen der renommierten Berliner Beuth-Hochschule haben im Rahmen ihrer Masterarbeit Sanierungs- und Nutzungsvorschläge für das Kino und die dazu gehörende Villa erarbeitet. Jetzt präsentierten sie ihre bemerkenswerten Entwürfe erstmals der Potsdamer Öffentlichkeit.

„Es ist natürlich eine idealisierte Vorstellung“, betont Navina Lammek. „Reduzieren kann man immer noch.“ Die 31-Jährige ist unweit des Kinos aufgewachsen und kennt es noch aus Kindertagen. Beim Pendeln in die Hauptstadt kam ihr der Gedanke, das „Charlott“ zum Gegenstand der Abschlussarbeit zu machen. In Frances Frühauf fand sie eine prädestinierte Komplizin. Die 27-Jährige stammt aus Weida (Thüringen) – die Stadt hatte ihr 1928 erbautes und 1993 geschlossenes Kino 2003 gekauft und in nur neun Monaten zum Bürgerhaus umgebaut.

 

Kein Bürgerhaus, aber ein Haus für die Bürger – so lässt sich die Idee, die die Architektinnen fürs „Charlott“ hegen, skizzieren. Dabei haben sie das gesamte Ensemble im Blick: Den Vorplatz, auf dem die Menschen verweilen und miteinander ins Plaudern geraten sollen. Das Kino, das zwar nur eine Leinwand bekommen, dafür aber vielfältig nutzbar sein soll: für Filmgespräche und Ausstellungen etwa, für Tanz und Theater. Die Villa, die ein Restaurant und eine Bar beherbergen könnte. Alles soll barrierefrei und denkmalgerecht saniert werden.

Kino, Restaurant, vitaler Vorplatz: So könnte das Ensemble an der Zeppelinstraße aussehen. Die Gesundheitsgasse als Abkürzung in den Kiez gehört dazu.

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Die Ideen reichen sogar ein gutes Stück über das Areal hinaus. So plädieren Frances Frühauf und Navina Lammek dafür, die seit 2004 versperrte Gesundheitsgasse – die Abkürzung direkt in den Kiez – wieder freigeben, den Gehweg am Schafgraben beleuchten und an der Zeppelinstraße zum Bahnhof hinüber eine Bedarfsampel errichten zu lassen. Eine Kostenschätzung liegt nicht vor – sie hätte den Rahmen der Arbeit gesprengt. Unabhängig von Heller und Pfennig lasse sich aber allein aufgrund des vielfältigen bürgerschaftlichen Engagements in der Brandenburger Vorstadt behaupten: „Das Ensemble ist eine Spielwiese wie sie wahrscheinlich nur in Potsdam West möglich ist.“

Das Interesse an ihrer Präsentation gibt den Beuth-Absolventinnen Recht. Rund 100 Zuhörer waren der Einladung des Vereins „Brandenburger Vorstadt“ in den Saal der Erlöser-Gemeinde gefolgt. Einhelliger Tenor des offenkundig beeindruckten Publikums: Auch wenn sich die Visionen nicht eins zu eins umsetzen lassen, sollte die öffentliche Debatte über das abgewirtschaftete, aber unbedingt zu erhaltende Ensemble noch einmal eröffnet werden. Der Vorstadt-Verein kündigte prompt an, die Masterarbeit als Diskussionsgrundlage an die Landeshauptstadt heranzutragen.

Der Eigentümer des Anwesens bleibt derweil für alle Beteiligten nicht zu erreichen. Zuletzt hatte die Stadt im März darüber informiert, dass die Vorbereitungen für einen Umbau des „Charlott“ zum Nahversorger ins Stocken geraten sind. Eigentümer und Denkmalpfleger hätten zwar eine im Wesentlichen genehmigungsfähige Planung dafür vorabgestimmt, über den im Oktober 2016 gestellten Bauvorbescheidsantrag konnte die Stadt aber nicht befinden, weil fehlende Unterlagen nicht nachgereicht wurden.

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Vom Tanzsaal zum Kino

Die Kino-Historie beginnt in Potsdam um 1900 mit einer temporären Bude am Brauhausberg. 1910 folgte das Kino im Palast Barberini; es gilt als das erste in Potsdam. 1912 wurden die „Residenz-Lichtspiele“ eröffnet (später „Melodie“). Bis 1918 kamen drei weitere Lichtspiele hinzu. Außer dem 1940 eröffneten „Bergtheater“ am Brauhausberg waren alle Potsdamer Kinos Umbauten bestehender Häuser.

Das „Charlott“ war der als Tanzsaal genutzte, 1893 erstmals erwähnte Anbau des Restaurants „Victoriagarten“. Der Saal wurde vermutlich 1934 zum Kino umgerüstet. nf

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Von Nadine Fabian

in http://www.maz-online.de  Mittwoch, 17.05.2017 19:28 Uhr

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